Sonntag, 28. Dezember 2008

1967: Autoreise nach Spanien und Portugal

Als ich diese Reise antrat, war mein Citroen 2 CV genau ein Jahr alt. Ich hatte ihn im Frühjahr 1966 als "Neuwagen" mit einem Kredit meiner Eltern gekauft, kurz nachdem ich "beruflich" nach Augsburg gekommen war. Der Kredit war aber bereits gegen Ende des Jahres abgetragen, ich also "schuldenfrei", wenig später frei auch sonst, denn ich hatte meine Stelle als Redakteur bei der Günzburger Zeitung, einem "Kopfblatt" der Augsburger Allgemeinen, nach kurzem Gastspiel in der Donaustadt aufgegeben und war jetzt das, was man in früheren Zeiten einen "Privatier" nannte. Wieviel Kapital mir damals zur Verfügung stand, daran erinnere ich mich nicht mehr, genug aber wohl, dass ich mir ein längeres "Aus" glaubte erlauben zu können. Auf jeden Fall wollte ich eine Reise in den Süden unternehmen. Und so machte ich mich, nach einer gründlichen Autoinspektion, im Frühling dorthin auf.

Montag, 17. April: Morgens in Krofdorf abgefahren, über Saarbrücken, Nancy, Moulins. Übernachtet am Stadtrand von Moulins. KM-Stand: 26867 km. 18. April: Reparatur in Moulins, Steckachse mit defektem Kardanstück ausgewechselt: 82 FF (zum Glück hatte sich die ursprünglich Befürchtung, dass Getriebeschaden vorliege, als falsch herausgestellt). Danach über Clermont-Ferrant und Brive nach Anglet (bei Biarritz). Übernachtung in JH: 4 FF.

Mittwoch, 19. April: Morgens über Hendaye, S. Sebastian, Burgos nach Valladolid. Junge Mädchen und Buben laufen massenweise mit Heften, Schnellheftern und Büchern unterm Arm durch die Straßen. Eine Beobachtung, die mir schon in Burgos ins Auge fiel und die ich mir bisher nicht erklären kann. Viele Mädchen ziehen einen Geruch nach billiger Seife hinter sich her. Die Straßen sind erfüllt mit flanierenden Menschen, die jungen Mädchen ebenso wie die Männer gruppenweise, Paare immer eingehängt. Die Cafes sind voll, an den Bars stehen Männer und Frauen, wieder gruppenweise. Für mich gilt jetzt die Frage: Was tun? Portugal, Madrid oder Andalusien? Am liebsten wäre ich zu Hause, im gemütlichen Bett mit einer Leselampe. Das Reisen hat seinen Reiz verloren. Eigentlich wollte ich heute in Anglet/Biarritz über mein verpfuschtes Leben sinnieren. Doch zwei Enttäuschungen hielten mich davon ab: Die alte, unvergleichlich anheimelnde Jugendherberge ist einem neuen, allzu modern konstruiertem Haus gewichen. Und die zweite Enttäuschung bereitete mir das Wetter; milchige Trübnis am Morgen, ungewöhnliche Kühle, die keine Besserung verhieß. (Zudem) erschreckte mich der neuen Übernachtungspreis von 4 Franc. Also fuhr ich, aller Klugheit zum Trotz, nach Spanien, nahm von der Grenze ab ein Pärchen Autostopper, einen Engländer und eine Spanierin, mit, die ich in Burgos verabschiedete. Ich lief dann fast zwei Stunden durch diese Stadt (eigens Foto der Kathedrale), kaufte für 9 Peseten Oliven und setzte mich ab nach Valladolid. Hier werden diese Zeilen geschrieben, abends um 11 in einem Cafe. Voraus gingen der Konsum von vier Glas Bier á 3 Peseten und ein Teller kalter Calamares zu 20 Pesten. Der Betrieb hat wieder aufgefrischt, nachdem vor etwa einer halben Stunde eine Flaute einsetzte und ich fast der einzige Gast war. Die Trink- und Eßgewohnheiten der Gäste in den Bars und Cafes habe ich noch nicht ganz durchschaut. Wie heißen all die schönen Sachen, die auf der Theke stehen und in kleinen Happen verspeist werden? Vorhin hatte ich den Eindruck, als habe sich ganz Valladolid auf den Straßen versammelt, im Foyer der Kinos sah ich eine lange Schlange wartender Besucher, ein Anblick, der deutschen Kinobesitzern die Herzen höher schlagen ließe. Mich beschäftigt die Frage nach den Möglichkeiten sexuellen Glückes dieser Menschen. Läßt es sich für sie nur über den Weg unbegrenzten Kindersegens erreichen? Das katholische Spanien, dessen zweite Obrigkeit, der Vatikan, die Frage der Empfängnisverhütung vor sich herschiebt wie eine Schubkarre mit übelriechenden Inhalt. Wie katholisch sind diese Menschen? Wie beeinflusst diese unselige Religion das Verhalten der unverheirateten Mädchen ihren Freunden gegenüber? Ich glaube, dass die abendliche Fröhlichkeit dieser Leute nicht über die beängstigende Enge ihrer Vorstellungen und Gemütswelt hinwegtäuschen kann. Übernachtung im Auto.

Donnerstag, 20. April: Am frühen Morgen ab in Richtung Madrid über Paß bei Guadarrama, 1512 m (Alto de Leones, eigens Foto, links im Bild mein Citroen). In El Escorial. Nachmittags Madrid an. Freitag, 21. April: In Madrid JH Casa del Campo. Mit einem Australier namens Douglas unterwegs. Samstag, 22. April: Madrid. Südamerika-Museum.

Sonntag, 23. April:
In Toledo und Aranjuez (mit dem Australier). Abends in Alcala de Henares (Herkunftsort meiner Freundin aus Bedburger Tagen Conchita Gomez). Montag, 24. April: Morgens in Madrid ab, über Talavera, Caceres, bei Valmera d. Alcantara nach Portugal. Die Grenzkontrolle auf portugiesischer Seite ist gestaffelt nach der Ausreisekontrolle durch die Spanier. Ein junger Polizist hält mich an und notiert sich die Autonummer. Er sagte "La policia tres kilometros". Entlassen. Tatsächlich nach etwa 3 km ein kleines Haus auf der rechten Straßenseite. Internationale Polizei. Dort kontrolliert ein Zivilist, ob Versicherungskarte und Kfz-Schein und Autonummer (matricula) übereinstimmen. Stempel entlassen. Nach 100 m Zoll, wo ich in einem Buch registriert werde, 3 Zollpolizisten stehen herum, einer winkt mir zu. Fertig. Keine Gepäckkontrolle. Übernachtung im Auto bei Apalhao.

Dienstag, 25. April: Kurz nach 12 Uhr Ankunft in Lissabon (KM-Stand: 29699, gefahren: 2832 km). Was auffällt in Portugal/Lissabon: Pferd, mehr aber Esel ist in den ländlichen Gegenden noch ein wichtiges Verkehrsmittel. Er dient als Lasttier, wobei ihm ein Doppelkopf (?) übergelegt wird (unter dem Bauch mit einer Stange verbunden), zugleich hat er noch den Reiter zu tragen. Pferde sieht man häufig vor hochrädrigen Karren gespannt. Die Frauen schön gekleidet, begleiten den Mann, ohne sich bei ihm einzuhängen (im Gegensatz zu Spanien). Die Frauen scheinen schnell zu altern und machen häufig einen verfallenen Eindruck, selbst junge unter ihnen. Männer und Frauen von dunkelhäutigem Typ. In Lissabon (Szene am Tejo, eigens Foto) gibt es zahlreiche gekachelte Häuser. Lasten aller Art, Krüge und hochbeladenen Körbe, werden von den Frauen auf dem Kopf transportiert, dadurch ein charakteristischer Gang, Füße nach Außen, Unterkörper vorgeschoben. Die Sprache ist schwer verständlich. Plakat an Hauswand in Lissabon: „Os nossos soldados defendem en ANGOLA a integridad des PORTUGAL“. Übernachtung in JH.

Donnerstag, 27. April: Nachmittags mit Douglas (Foto rechts, der Australier war inzwischen mit seiner Vespa ebenfalls von Madrid nach Lissabon gekommen) in Lissabon. Sonntag, 30. April: Nachmittags mit Miguel aus Argentinien, ein nach Israel auswandernder junger Jude, in Cascais, dort einen Inder (Jorge) aus Angola getroffen. Abends mit Douglas und Jorge in „Mil e Um“ beim Fado bis morgens um ½ 3 (eines meiner „unvergesslichen“ Erlebnisse, Jorge übersetzte mir die portugiesischen Texte der Fados noch während des Gesanges ins Englische).

Montag, 1. Mai: Lissabon ab. In Beja. Übernachtet am Stadtrand von Adracana. Dienstag, 2. Mai: Morgens nach Sevilla. Stadt besichtigt. Auf dem Giralda-Turm. Nachmittags weiter nach Ronda, die Stadt besichtigt. Abends weiter nach Marbella. Hier im Auto am Meer übernachtet. Mittwoch, 3. Mai: Morgens nach Malaga, von hier mittags nach Granada. Besuch der Alhambra. In der Stadt. Fiesta (links eigenes Foto). Abends in Richtung Murcia aufgebrochen. Übernachtung im Auto. Donnerstag, 4. Mai: Kurz nach Mittag in Alicante. Über Benidorm nach Calpe, Übernachtung dort am Strand.

Freitag, 5. Mai: Nach Valencia, dort gegen 14 Uhr angekommen. Kleiner Stadtrundgang. Weiter nach Sagunto, Besichtigung der Festungsanlage und des Theaters. Weiter nach Castellon. Übernachtung am Strand. Samstag, 6. Mai: Morgens nach Albocacer, von dort nach Tirig (Höhlenmalereien besichtigt, zurück zur Küste), nach Tarragona, 2 Marokkaner mitgenommen (die in einen Unfall verwickelt waren und mit dem Zug in Richtung Belgien weiterfahren wollten), Barcelona nur passiert. Übernachtung an der Straße zwischen Barcelona und Gerona. Sonntag, 7. Mai: Morgens zwischen 5 und 6 über die Grenze bei Perthus. Über Perpignan und Beziers nach Agde. Am Strand Relaxing und Übernachtung. Montag, 8. Mai: Von Agde nach Arles, Stadtrundgang. Weiter in Richtung Grenoble. Übernachtung dort im Auto. Dienstag, 9. Mai: Grenoble-Genf-Basel. Übernachtung auf Autobahnparkplatz bei Offenburg. Mittwoch, 10. Mai: Morgens Ankunft in Krofdorf.

1 Kommentar:

  1. Hast du diesen Bericht aus der Erinnerung geschrieben? Meinen respekt, 40 Jahre her und so eine gute Erinnerung. Damals war Reisen noch etwas anders, als heute. Fand ich auf jeden Fall sehr spannend und interessant, nicht zu vergessen die Bilder!

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